Europäische Spinne des Jahres 2012
Die Große Höhlenspinne – Meta menardi (Latreille, 1804)
2012 gibt es in Bezug auf die Spinne des Jahres gleich in mehrfacher Hinsicht eine Premiere: eine neue Spinnenfamilie (Tetragnathidae – Streckerspinnen), ein neuer Lebensraum (Höhle), ein “gemeinsames” Jahres-Tier (gleichzeitig das Höhlentier des Jahres). Aber alles der Reihe nach, zuerst die Kurzvorstellung der Spinne des Jahres: Meta menardi (Latreille, 1804), die Große Höhlenspinne.
Die Große Höhlenspinne ist eine von 955 bekannten Streckerspinnen weltweit, in Europa kennt man 29, in Mitteleuropa 19 Arten.
Die Höhlenspinne Meta menardi ist geographisch weit verbreitet. Sie besiedelt unterirdische Hohlräume in der gesamten Paläarktis mit Ausnahme von Japan. In Mitteleuropa findet man die Spinne zumeist im Bergland, besonders häufig in großen Karstgebieten wie der Fränkischen oder der Schwäbischen Alb. Die Spinne lebt in unterirdischen Höhlen, Kellern, Bergwerksstollen und im Inneren von Blockhalden mit mittlerer Feuchtigkeit, bei konstanten Temperaturen ab 7°C. Gemieden werden Höhlen mit zu großer Feuchtigkeit und zu hoher Zugluft.
Die Körperlänge der Höhlenspinne Meta menardi beträgt beim Männchen 11 bis 13 mm, beim Weibchen 14 bis 17 mm. Die Färbung ist insgesamt meist ziemlich dunkel, Vorderkörper rötlichbraun, Hinterkörper hell- oder dunkelbraun, jeweils mit schwarzen Zeichnungen, oft sind 2 große Punkte deutlich zu erkennen. Die Beine sind braun und schwarz geringelt.
Verwechslungsgefahr besteht unter Umständen mit Metellina merianae(Scopoli, 1763), der Kleinen Höhlenspinne. Diese ist etwas kleiner und die Färbung wirkt eher gräulich. Dafür baut sie deutlich größere Netze (mit mehr Speichen und Fangfäden) und ist dadurch in der Lage, verstärkt fliegende Insekten in ihre Nahrung mit einzubinden. Meta bourneti Simon, 1922 ist hingegen genauso groß wie M. menardi und auch ähnlich gefärbt, ist aber nur vereinzelt aus Rheinland-Pfalz bekannt.
Neben diesen auffälligen Arten gibt es in unterirdischen Hohlräumen noch eine Vielzahl weitere Spinnenarten, von denen ein nicht unerheblicher Teil Anpassungen an das Höhlenleben zeigt. Diese Spinnen sind, mit Ausnahme von M. bourneti (s. oben) zumeist deutlich kleiner als die vorgenannten Arten und daher nicht zu verwechseln.
Die Paarung der Spinnen findet meist im Frühsommer statt. Das Weibchen baut dann ab Mitte Juli bis Anfang August einen etwa 2 bis 3 cm großen Kokon, der an einem Fadenstrang aufgehängt wird. Der Kokon umhüllt die ca. 200 bis 300 Eier, die das Weibchen bis zu dessen Tod noch 2 bis 3 Monate bewacht. Gegen Ende August zerfallen die Eiballen und die Jungspinnen sind dann von außen durch den Kokon als kleine schwarze Punkte sichtbar. Der Kokon wird von den Jungspinnen erst im Frühjahr verlassen. Der Nachwuchs begibt sich danach zum Höhlenausgang, wo man ihn einige Tage bis Wochen antreffen kann. Ein Teil der Jungspinnen wandert von hier in andere Höhlen ab, die restlichen Spinnen verbleiben in der Herkunftshöhle. Damit werden die Ausbreitung und der Fortbestand der Art gesichert. Die Große HöhlenspinneMeta menardi erreicht ein Alter von 2 bis 3 Jahren, anders als die meisten einheimischen Spinnen, die nur ein Jahr leben.
Das 20 bis 30 cm große Netz der Höhlenspinne ist als stark rudimentär anzusehen (Radnetz mit offener Nabe) und wird selten zum Beutefang genutzt.Meta menardi hält sich überwiegend in der Nähe der Höhlenwand auf wo sie Asseln, Käfer, Tausendfüßer, überwinternde Schmetterlinge und andere Kleintiere erbeutet, nicht selten auch Schnecken. Oft werden diese an kleinen Fäden im Netz aufgehängt. Dieses Jagdverhalten ohne Verwendung des ursprünglich zum Beutefang gedachten Netzes kann durchaus als verhaltensmäßige genetische Anpassung an das Höhlenleben angesehen werden.
Die Große Höhlenspinne Meta menardi (auch Höhlenkreuzspinne genannt, obwohl sie nicht wie die Kreuzspinnen zur Familie der Radnetzspinnen, sondern zu den Strecker- oder Kieferspinnen gehört) ist auf Grund ihrer Größe eine der auffälligsten Höhlenbewohner in unseren Breiten. Die Tiere leben ganzjährig in Naturhöhlen, Bergwerksstollen und Felsenkellern. Diese Tatsache führte dazu, dass diese Spinnenart auch zum “Höhlentier 2012” gewählt wurde. Die Spinne steht für eine große Zahl an Tierarten, die auf geschützte und frostfreie Rückzugsorte unter Tage angewiesen sind. Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. will mit der Wahl des Höhlentieres darauf hinweisen, dass gerade bei der Erforschung der unterirdischen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten noch ein enormer Handlungsbedarf besteht (vgl. auch Höhlentier des Jahres).
Gleichzeitig mit der Wahl zum Höhlentier des Jahres wurde die HöhlenspinneMeta menardi auch zur “Europäischen Spinne des Jahres 2012” gewählt. Dies verdeutlicht die gute Zusammenarbeit zwischen den Höhlenbiologen und den Spezialisten, für die in Höhlen lebenden Artengruppen. Die Spinnenforscher (Arachnologen) sind dabei auf die Ortskenntnisse und Techniken der Höhlenforscher (Speläologen) angewiesen, um Erkenntnisse zu den Arten in unterirdischen Lebensräumen zu erhalten.
Halten Sie beim nächsten Besuch einer Höhle die Augen offen: die Große Höhlenspinne ist nicht weit!
Christoph Hörweg
Österreich und Deutschland
Mag. Christoph Hörweg, Naturhistorisches Museum Wien, 3. Zoologische Abteilung, Burgring 7, A-1010 Wien, Österreich
e-mail: christoph.hoerwegnhm-wien.ac.at