Europäische Spinne des Jahres 2015
Die Vierfleck-Zartspinne – Anyphaena accentuata (Walckenaer 1802)
Die Vierfleck-Zartspinne, Anyphaena accentuata (Walckenaer 1802), gehört zur Familie Zartspinnen (Anyphaenidae). Diese Spinnenfamilie hat weltweit nur knapp über 500 Arten, im Mittelmeerraum gibt es 8, in Europa 6 und in Mitteleuropa 2 Vertreter. Zartspinnen ähneln den Sackspinnen, unterscheiden sich aber durch die Stellung der Tracheenöffnung, die bei den Zartspinnen in der Mitte der Bauchseite liegt.
Die Vierfleck-Zartspinne kommt in ganz Europa vor und ist auch sehr häufig. Sie lebt bevorzugt in der Stamm- und Kronenschicht von Laubbäumen, aber auch auf Büschen und Nadelbäumen. Anyphaena accentuata ist eine Talbewohnerin, die die Obergrenze ihrer Vertikalverbreitung im Allgemeinen bei 1000 m Seehöhe findet. Die höchsten Nachweise liegen in Kärnten Österreich) und im Unterengadin (Schweiz) bei knapp über 1100 m.
Tagsüber ist sie in einem Wohngespinst aus zusammengesponnenen Blättern versteckt, wo dann auch die Paarung und die Eiablage stattfinden; als nachtaktiver Räuber jagt sie kleinere Fluginsekten. Im Winter findet man Anyphaena accentuata regelmäßig unter der Rinde abgestorbener Bäume. Auch kommt die Art immer wieder in die Nähe menschlicher Behausungen und kann bei nächtlichen Streifzügen an Hauswänden angetroffen werden. Männchen sind im Frühsommer (Mai und Juni) adult. Am besten sind die erwachsenen Vierfleck-Zartspinnen von Mai bis August zu sehen – zu dieser Zeit sind beide Geschlechter aktiv.
Die Körperlänge beträgt bei Weibchen (Abbildung oben) 5-9 mm, Männchen (Abbildungen unten) sind mit 4-7 mm etwas kleiner. Der Körper ist blassgelb bis mittelbraun gefärbt, der Vorderkörper mit schwarzen, gezackten Seitenbändern, am Hinterkörper sind mittig 4 schwarze, eckige Flecken zu sehen, die für diese Art charakteristisch sind, die Beine selbst sind gelbbraun-schwarz gescheckt. Bei Männchen findet man oft eine kräftigere Zeichnung.
Die Männchen zeigen zudem ein ungewöhnliches Paarungsverhalten. Sie trommeln mit den Tastern und dem 1. Beinpaar auf die Wohnröhre des Weibchens und gleichzeitig vibriert der Hinterleib, wodurch ein summender Ton erzeugt wird. Daher werden diese Spinnen im Englischen auch „buzzing spiders“ genannt.
In Österreich wie auch in ganz Mitteleuropa ist die Art nicht gefährdet. Ein gesetzlicher Schutz für diese Spinnenart besteht nicht. Naturschutzfachliche Fördermaßnahmen für die Spinne des Jahres 2015 sind die Rückführung von Fichtenmonokulturen in naturnahe Laub- und Mischwälder sowie das Belassen von vor allem stehendem Totholz.
Warum wurde die Vierfleck-Zartspinne zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Mit ihr kann eine bisher noch nicht genannte Spinnenfamilie vorgestellt werden, die Art selbst ist durch die 4 charakteristischen schwarzen Flecken am Hinterleib gut zu erkennen – dies erleichtert auch die Bestätigung von Fundmeldungen anhand eines Fotos; sie kann das ganze Jahr über recht leicht beobachtet werden, nicht nur im Freiland, sondern auch immer wieder in unseren Wohnungen, wo sie beispielsweise mit dem Christbaum eingetragen wird; und die Fähigkeit, einen Ton zu erzeugen, ist im Spinnenreich schon ziemlich einzigartig …
Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ von 83 Arachnologen aus 26 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).
Kontakt Österreich und Deutschland
Mag. Christoph Hörweg, Naturhistorisches Museum Wien, 3. Zoologische Abteilung, Burgring 7, A-1010 Wien, Österreich
christoph.hoerweg(a)nhm-wien.ac.at