Spinne des Jahres 2022
Trommelwolf – Hygrolycosa rubrofasciata (Ohlert, 1865)
Information
Der Trommelwolf, Hygrolycosa rubrofasciata (Ohlert, 1865), gehört zur Familie der Wolfspinnen (Lycosidae). Diese Spinnenfamilie zählt weltweit 2440 Arten, in Europa sind 352 Arten bekannt. In der Gattung Hygrolycosa (Sumpfwölfe) gibt es weltweit nur fünf Arten, in Europa zwei, wobei Hygrolycosa strandi ausschließlich in Griechenland vorkommt. Somit ist in Mitteleuropa der Trommelwolf der einzige Vertreter dieser Gruppe.
Verbreitung, Lebensraum und Gefährdung
Der Trommelwolf ist paläarktisch verbreitet. In Mitteleuropa bzw. Österreich ist die Art vornehmlich an die planar-kolline Höhenstufe (bis 800m Seehöhe) gebunden. Es handelt sich um eine der seltensten Spinnen Österreichs mit nur wenigen Nachweisen aus Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland, bedingt auch durch den speziellen Lebensraum. Hygrolycosa rubrofasciata bevorzugt nasse Habitate und ist daher nur in ausgewählten, naturnahen Standorten wie etwa in Mooren, Sumpf-, Nass- und Feuchtwiesen oder in feuchten (Schlucht-)Wäldern anzutreffen. Durch die zunehmende Bedrohung und Zerstörung vieler seiner bevorzugten Lebensräume steht der Trommelwolf daher auf der Roten Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten, in Österreich gilt er als vom Aussterben bedroht, in Deutschland als gefährdet.
Beschreibung
Die Körperlänge von Hygrolycosa rubrofasciata beträgt 5 – 6 mm. Eine Unterscheidung der Geschlechter ist nicht – wie oft bei Spinnen – über die Körpergröße (wobei die Weibchen meist größer sind), sondern durch die unterschiedliche Färbung und Zeichnung gegeben. Die Männchen sind fast schwarz, der Vorderkörper mit drei undeutlichen hellen Längsbinden, der Hinterkörper dunkelbraun-schwarz mit vier verbundenen Längsreihen weißer Punkte, die Beine zweifarbig, schwarz-hellbraun. Die Weibchen haben einen hellbraunen Vorderkörper mit zwei dunklen bzw. drei hellen Längsbinden, des Weiteren zwei schmälere Fleckenreihen, und auch einen helleren Hinterkörper. Die Beine sind hellbraun mit dunklen Punkten.
Lebensweise
Der Trommelwolf baut wie die meisten Wolfspinnen kein eigenes Netz, sondern wartet als tagaktiver Lauerjäger auf seine Beute, vornehmlich Insekten.
Zur Balz im Frühjahr trommeln die männlichen Tiere mit ihrem Hinterleib auf trockene Blätter und erzeugen dadurch ein auch für den Menschen hörbares, „schnurrendes“ Trommelgeräusch, welches dieser Spinne auch zu Ihrem deutschen Namen verholfen hat.
Nach der Paarung legen die Weibchen ungefähr 60 Eier in den Kokon. Generell sind
Wolfspinnen-Weibchen für ihre fürsorgliche Brutpflege bekannt. Sie tragen ihren Kokon an den Spinnwarzen angeheftet und führen ihn ständig mit sich herum. Nach dem Ausschlüpfen der Jungen klettern diese meist auf den Rücken der Mutter und werden von ihr mitgetragen. Bei Hygroylosa rubrofasciata ist dieses Verhalten in einem Aspekt abweichend: hier halten sich die Jungtiere nämlich nicht am Rücken der Mutter, sondern am leeren Kokon fest – möglicherweise eine Anpassung an den nass-feuchten Lebensraum.
Ausgewachsen kommt der Trommelwolf von März bis November vor, wobei die Männchen meist nach der Paarung sterben, die Weibchen aber oft noch den Winter überdauern können.
Ähnliche Art
In (Mittel-)Europa kommt der Trommelwolf als einzige Art seiner Gattung vor und ist auch aufgrund der Färbung und Zeichnung einigermaßen gut zu bestimmen. Von ungeübten Beobachtern könnte Hygrolycosa rubrofasciata eventuell mit Zora spinimana, dem Gewöhnlichen Stachelbein (Familie Miturgidae – Wanderspinnen), die in ähnlichen Lebensräumen lebt, verwechselt werden.
Warum wurde der Trommelwolf zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Mit dieser stark gefährdeten Art, die in Österreich sogar vom Aussterben bedroht ist, soll auf die Bedrohung und Zerstörung entsprechender Lebensräume – in diesem Fall speziell auf das Austrocknen der Moore, hingewiesen werden. Dies umso mehr, als Moore auch in Hinblick auf den Klimawandel in ihrer Rolle als Kohlenstoffspeicher immer wichtiger werden.
Zudem ist es spannend und kurios genug, dass man eine Spinne trommeln hören kann. Und auch das Verhalten der Jungtiere, nämlich nach dem Schlüpfen auf dem Kokon zu bleiben, ist eine Seltenheit bei Wolfspinnen.
Mit der Wahl der Spinne des Jahres soll aber nicht nur eine „wenig beliebte“ Tiergruppe ins rechte Licht gerückt und auf einen bedrohten Lebensraum hingewiesen werden, sondern gleichzeitig erhoffen sich die Wissenschaftler, Daten zur aktuellen Verbreitung zu bekommen. In diesem Sinne: erfreuen Sie sich an der Spinne des Jahres und helfen Sie mit ihrer Fundmeldung oder ihrem Foto bei der Dokumentation dieser Art.
Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ von 84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).
Christoph Hörweg
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